Ich bin in einigen Facebook-Gruppen. Oft gibt es lange Diskussionen und Vorwürfe über Entscheidungen der Leistungsträger. Von ungerecht bis unfähig ist alles dabei. Es werden Vergleiche gezogen, warum bei dem einen dieser Grad der Behinderung und das Merkzeichen festgestellt wurde und bei dem anderen nicht. Jeder ist unterschiedlich und ja, es gibt sicher auch Unterschiede von Amt zu Amt oder Sachbearbeiter zu Sachbearbeiter. Es ist in meinen Augen nicht fair, alle über einen Kamm zu scheren.
So ein Antrag erfordert Zeit und vor allem für viele ME/CFS Betroffene sehr viel Energie, die oft nicht vorhanden ist.
Auch wenn ich mich eventuell jetzt unbeliebt mache: Es reicht nicht aus, nur den Antrag zu stellen, ein paar Kreuze zu setzen und eine Liste der Ärzte bei-zufügen, die dich behandelt haben.
Ja, es ist mühsam, alle Berichte und Befunde zusammenzutragen, aber es lohnt sich. Die Sachbearbeiter haben keine Glaskugel und können nicht ahnen, welche Einschränkungen du im Alltag hast. Es kostet unnötig lange Wartezeit, bis dein Antrag und der vieler anderer bearbeitet werden kann, wenn das Versorgungsamt die erforderlichen Unterlagen einholen muss.
Tipp: Lass dir regelmäßig deine Befunde aushändigen oder per Mail zusenden. Lege dir einen Extraordner in Papier und/oder auf dem PC an.
Eine gute Dateibenennung bzw. Registerbeschriftung ist wichtig, dass du oder deine Unterstützung alle notwendigen Unterlagen schnell finden.
Hast du mehrere Erkrankungen, ist es hilfreich für jede Diagnose ein eigener Schnellhefter oder Ordner zu verwenden.
So sparst du dir Zeit und Energie, bist zukünftig gut vorbereitet und musst für den nächsten Antrag nur noch ein oder zwei Berichte besorgen.
Befreie deine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht, sonst dürfen sie keine Daten und Informationen herausgeben.
Wie habe ich meinen Antrag gestellt?
Ich habe meine medizinischen Befunde und Atteste der letzten zwei Jahre (kopiert) chronologisch und durchnummeriert zusammengestellt. Alle wichtigen Stellen habe ich mit einem Textmarker hervorgehoben, damit der Sachbearbeiter sich nicht mühsam durch die Aktenberge wühlen muss. Es erleichtert ihm die Arbeit und hat den Vorteil, dass nichts in den oft sehr langen Befunden überlesen wird und untergeht.
Wichtig: Eine Erkrankung wird erst anerkannt, wenn deine Diagnose mindestens 6 Monate feststeht und du deshalb in Behandlung/Therapie bist. Es gibt Ausnahmen bei einigen Erkrankungen, z.B. Krebs.
Extrablatt Diagnosen:
Ich habe alle Diagnosen mit ICD, den entsprechend nummerierten Befunden und mit der jeweiligen Seitenzahl (die ich markiert habe – Punkt 1) notiert. Gerade bei ME/CFS ist es wichtig kurz, einfach und knackig ein paar Worte dazuzuschreiben.
Extrablatt Ärzte, Kliniken, Reha:
Oft reicht das vorgegebene Feld nicht aus. In dieses schreibe ich immer: Siehe Anlage Ärzte.
Ja, ich weiß, auch das kostet Energie und Kraft, erleichtert dem Sachbearbeiter die Arbeit und falls er Rückfragen hat, muss er nicht Herr/Frau Google bemühen.
Was gehört auf die Liste:
Name, Anschrift, Fachrichtung, Telefon-, Fax Nummer, Mailadresse und das Datum des letzten Besuchs beim jeweiligen Arzt.
Wenn du ein Merkzeichen beantragst, überprüfe ob du die Anspruchsvoraussetzungen erfüllst. Beschreibe deine Einschränkungen und wie unter Punkt 2 verweise auf Befund und Seite. Hier findest du Infos:
https://www.schwerbehindertenausweis.de/behinderung/die-merkzeichen
Extrablatt persönliche „Begründung“:
Ich habe mit einfachen Worten und Beispielen beschrieben, wie sich meine Einschränkungen im Alltag, beim Einkaufen, Arztbesuchen, Hygiene, persönlichen Kontakten, Veranstaltungen u.v.m. auswirken. Hast du Angst- und Panikattacken, wenn du unter vielen Menschen bist? Bekommst/benötigst Unterstützung, wenn du öffentliche Verkehrsmittel nutzen musst: Auch das alles gehört dazu. Es geht um deine Teilhabe am Leben, die eingeschränkt ist.
Meinem Hausarzt habe ich mitgeteilt, dass ich einen Antrag auf Feststellung einer Schwer-behinderung beantragt habe. Nicht immer weiß dein Arzt von deinen Einschränkungen im Alltag. Meist fehlt die Zeit dazu. Ich habe nicht groß erwähnt, dass ich nicht lange gehen und stehen kann. Aus diesem Grund wurde mir das Merkzeichen verwehrt. Für das fehlende Merkzeichen habe ich Widerspruch eingelegt, den GdB von 50 unbefristet habe ich akzeptiert.
In einem Telefonat mit dem Versorgungsamt bekam ich die Begründung:
Es war aus den Befunden nicht ersichtlich. Zu allem „Unglück“ stand im Abschlussbericht meiner Reha „moderater Ausdauersport“ und nichts von meinen Einschränkungen. Das habe ich total überlesen. Den Rehabericht habe ich korrigieren lassen.
Das Telefonat war von Vorteil, denn wenn ich weiß, warum abgelehnt wurde, kann ich entsprechend handeln:
Ärzte ins Boot holen, Befunde nachreichen, korrigieren lassen oder für den Moment die Entscheidung akzeptieren
Tipps zur Formulierung:
Denke daran: Nur deine Befunde führen nicht unbedingt zur Anerkennung eines angemessenen GdB oder Merkzeichen.
Viel wichtiger ist deine detaillierten und sachlich beschriebenen Einschränkungen in deinem Lebensalltag.
Vermeide emotionale Umschreibungen und Formulierungen.
So besser nicht: Begründungen wie ich habe diese und jene Diagnose, deshalb steht mir das Merkzeichen xyz zu.
Ein gut vorbereiteter Antrag, wird sicher dem Sachbearbeiter mehr „Freude“ bereiten und im besten Fall, zu einer schnelleren Entscheidung führen.
Viel Erfolg bei deinem nächsten Antrag, auch wenn ich hoffe, dass gar keinen stellen musst.
Bleib posimistisch
Alles Liebe deine Ela
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Alle Informationen sind nach bestem Wissen und Gewissen und meinen Erfahrungen zusammengestellt, die ich mit euch teile. Es gibt keinen Anspruch auf medizinische oder rechtliche Richtigkeit. Jede Haftung, Rechts- und Schadensersatz-ansprüche mir gegenüber sind ausgeschlossen.