Die rot hinterlegten Namen sind Links, die dich direkt zu der jeweiligen Rede führen. Ist sehr viel Text, da die Redezeit je 10 Minuten war.
Am 01.10.2025 wurde im Hessischen Landtag auf
Antrag Fraktion der CDU, Fraktion der SPD Long COVID und ME/CFS:
Betroffene Menschen stärken – Drucks. 21/2762 –
Dringlicher Antrag
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Long-COVID- und ME/CFS-Versorgung in Hessen verbessern
– Diagnostik, Forschung und Patientinnen- und Patientenversorgung stärken – Drucks. 21/2800 –
über die Versorgung und Forschung zu ME/CFS und Long Covid debattiert.
Redner:
Dr. Daniela Sommer, SPD-Fraktion
Kathrin Anders, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Volker Richter, AfD-Fraktion
Kurzintervention zur Rede AfD Kathrin Anders B90/Die Grünen und Antwort Volker Richter AfD
Yanki Pürsün, Fraktion der Freien Demokraten
Sandra Funken, CDU-Fraktion
Diana Stolz, Ministerin für Familie, Senioren, Gesundheit und Pflege
Volker Richter, AfD-Fraktion
Dr. Daniela Sommer, SPD-Fraktion
Dr. Daniela Sommer (Waldeck-Frankenberg) (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!
Heute machen wir etwas zum Thema, das für viele unsichtbar, für die Betroffenen aber umso realer ist: Long COVID, Post-Vac und ME/CFS. Das sind Krankheiten, die nicht nur den Körper zerreißen, sondern das Leben vom einen
auf den anderen Tag verändern.
Viele wurden aus ihrem Leben gerissen, ihre Energie, ihre Träume, ihre Zukunft wurden einfach gestohlen von einer Krankheit, die wir nicht sehen, deren Aus-wirkungen tief und dauerhaft sind. Die Erkrankten liegen oft Tage,
Wochen, Monate, Jahre und sind unfähig, aufzustehen, unfähig, ein normales Leben zu führen. Sie sind unsichtbar für die Gesellschaft, für viele Arbeitgeber, oft auch für das Gesundheitssystem.
Tausende Menschen, darunter auch viele junge, leiden an den Folgen von COVID-Infektionen. Doch nicht nur schwere Infektionen und Krankheitsverläufe führen zu
Long COVID, sondern auch milde Verläufe. Long COVID, Post-Vac und ME/CFS beeinträchtigen auf vielfache Weise. Sie treffen das Immunsystem, das Nerven-system und den Energiestoffwechsel.
Für viele Betroffene bedeutet das eine dauerhafte Einschränkung ihrer Lebens-qualität. Sie kämpfen mit extremer Erschöpfung, mit Schmerzen, Schwindel, Konzentrationsstörungen und einer Verschlechterung der Symptome nach
kleinsten Anstrengungen. Diese Menschen sind keine Zahlen, sie sind keine abstrakten Fälle. Sie sind Väter, Mütter, Schwestern, Brüder, sie sind Freunde, Erwachsene, Kinder und Jugendliche. Es sind Kinder, deren Zukunft geraubt
wird, deren Lebenskraft und Lebensfreude eingeschränkt ist, bevor sie richtig zu leben begonnen haben. Es sind Kinder, die im Schatten einer Krankheit leben, die ihr ganzes Leben prägen wird.
Die Lehrerin Anna war immer sportlich, aktiv und gesund, hatte einen vollen Termin-kalender, genoss es, mit ihren Schülerinnen und Schülern zu arbeiten. Im Frühjahr 2020 erkrankte sie an COVID. Ihr Krankheitsverlauf war mild:
Fieber, leichte Atembeschwerden, Husten. Sie hatte keine Vorerkrankungen und trug keine Risikofaktoren in sich. Nach zwei Wochen war sie wieder gesund.
Etwa drei Wochen nach dem Abklingen der Symptome fühlte sie sich immer müder. Anfangs dachte sie, das sindNachwirkungen der Infektion. Aber ihre Erschöpfung wurde immer intensiver. Sie hatte das Gefühl, keinen Schritt mehr tun zu können. Kleinste Anstrengungen erzeugten Schwindel, und eines Tages wachte sie auf und hatte das Gefühl, dass sie ein schweres Gewicht erdrücken würde.
Bereits kleine Tätigkeiten, wie Essen oder Aufräumen, ließen sie für Stunden völlig erschöpft zurück, und nach jeder noch so kleinen Anstrengung, ob Treppensteigen
oder Gespräche, erlebte sie einen Crash. Die Symptome
verschlechterten sich jedes Mal drastisch. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Körper gegen sie arbeitete, je mehr sie versuchte, ein normales Leben zu führen. Hinzu kamen Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, chronische Muskel-, Glieder- und Kopfschmerzen, Schmerzen am ganzen Körper, überrollt wie von einer unsichtbaren Welle.
Trotz zahlreicher Arzttermine, Tests und Untersuchungen bekam sie keine klare Diagnose, bis sie bei einer Spezialambulanz war und auf ME/CFS getestet wurde. Es dauerte Monate bis zur Diagnose und noch länger bis zur Behandlung und Unterstützung. Ein langer Weg – mit vielen Rückschlägen und Ärzten, die die Symptome als psychische Erkrankung abtaten.
Heute lebt Anna in einem Zustand ständiger Schmer-
zen und Erschöpfung. Ihre Lebensqualität ist stark eingeschränkt.
Sie hat fast alles verloren, was ihr wichtig war:
ihre Arbeit, ihre Unabhängigkeit, ihre sozialen Kontakte. Für sie gibt es kein Zurück mehr zur Normalität. Anna ist kein Einzelfall. Das Buch „Das Monster danach“
zeigt das Krankheitsbild. Ich kann das Lesen des Buches und das Anschauen der vielen Dokus zu dem Thema in den Mediatheken nur empfehlen. Die Zahlen sind alarmierend. Vor der Pandemie sprach man von ungefähr 300.00 bis 400.000 Betroffenen. Inzwischen spricht man von über 800.000 Betroffenen; und besonders schwerwiegende Fälle, bei denen die Erkrankten bettlägerig oder auf Hilfe angewiesen sind, zeigen uns, wie dringlich es ist, dass wir handeln, meine Damen und Herren.
(Beifall SPD und CDU)
Die Betroffenen benötigen eine spezifische Versorgung, aufsuchende Medizin, Palliativmedizin oder Telemedizin.
Auch die Angehörigen müssen unterstützt werden, sei es durch Pflegeanleitungen, durch bessere Beratung oder durch eine Förderung der häuslichen Pflege. Es ist Zeit, dass wir die Versorgungssituation für Long-COVID-, Post-Vac- und ME/CFS-Patienten verbessern.
Wir wollen dazu konkrete Maßnahmen ergreifen. Dazu gehören die Sensibilisierung und Qualifizierung der Gesundheitsakteure. Fortbildungen für Ärzte sind unabdingbar, um frühzeitig und präzise Diagnosen stellen zu können. So können einfache Tests, wie der Laktattest oder die Kanadischen Kriterien, dazu beitragen, schneller Diagnosen zu stellen.
Es geht auch darum, diese Erkrankungen in die
Ausbildung aller Gesundheitsberufe zu integrieren, ob für den Rettungsdienst, die Pflege oder die Medizin.
Darüber hinaus müssen wir die gesellschaftliche Wahrnehmung verändern. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir ME/CFS, Long COVID und Post-Vac nicht als psychische Erkrankungen abstempeln, sondern als körperliche Krankheiten anerkennen.
(Beifall SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dies ist auch notwendig, um Betroffenen die Unterstützung zu geben, die sie verdienen, von der Krankenkasse über Gutachter bis hin zur Sozialgerichtsbarkeit und der Rentenversicherung. Die sozioökonomischen Auswirkungen sind gravierend. Viele Betroffene können ihren Beruf nicht
mehr ausüben. Das führt zu finanziellen Einbußen.
Wir werden uns dafür einsetzen, dass Erkrankte nicht nur medizinisch, sondern auch sozial und wirtschaftlich Unterstützung erhalten. Es geht partiell um Erwerbsminderung, aber insgesamt um Existenzsicherung. Es geht auch um
Maßnahmen, um Teilhabe zu sichern, auch mithilfe von maßgeschneiderten Therapien und der Übernahme von Off-Label-Therapien, meine Damen und Herren.
(Beifall SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ein ganz wichtiger Punkt ist die Forschung. An unseren Unis wird geforscht. Wir wollen das auch weiterhin unterstützen. Ich danke auch heute allen, die in den speziellen Zentren, Ambulanzen und Sprechstunden arbeiten. Das werden wir weiter unterstützen, stärken und ausbauen.
(Beifall SPD und CDU)
Auch viele Kinder und Jugendliche sind betroffen. Ich durfte mir mit Kollegin Kalveram ein Bild von PEDNET LC am Klinikum Kassel machen. Da waren auch Betroffene und Betroffenenverbände dabei. Sie kümmern sich um Kinder und Jugendliche mit Long-COVID-ähnlichen Erkrankungen aller Schweregrade. Das muss über den Projektzeitraum verlängert und verstetigt werden. Es geht auch darum, dass Kinderärzte, Pädiater, Jugend- sowie Schulämter, Lehrkräfte und Betreuende Hinweise zur Erkrankung erhalten. Es soll aber auch konkrete Nachteilsausgleiche und Unterstützung in der Schule geben, vom Haus- oder Onlineunterricht bis hin zum Schulroboter.
Gleiches gilt auch für die Teilhabe an Studium und Ausbildung. Denn auch betroffene Kinder, Jugendliche und junge Menschen haben ein Recht darauf, bestmöglich in die Gesellschaft integriert zu werden.
(Beifall SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage Ihnen: All die Betroffenen haben nicht um ihre Krankheit gebeten. Sie kämpfen jeden Tag gegen ihren
eigenen Körper, gegen Schmerzen, gegen Erschöpfung und gegen das Gefühl, vergessen zu werden. Es ist unsere Aufgabe, ihnen eine Stimme zu geben, ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind und dass wir für ihre Rechte einstehen.
Die „LiegendDemos“ und „Light Up The Night 4 ME“ sind ein stummer Schrei, ein Aufruf an uns alle: Wir dürfen die Erkrankten nicht übersehen.
Ich danke den vielen Betroffenen, den Angehörigen, den Institutionen, dass sie sich in den letzten Jahren an uns gewandt haben, mit uns dafür gekämpft haben, dass sich etwas ändert. Dieser Kampf hat sich gelohnt: Ihr seid nicht länger unsichtbar. Wir sehen euch und machen euch sichtbar.
(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und Freie Demokraten)
Doch manche haben den Kampf schon verloren. Stellvertretend möchte ich an Marc Kirch erinnern und seiner gedenken. Er hat am 17.09.2025 mit Freitodbegleitung seinen Tod gewählt, weil das seine einzige Alternative war. Er hat seinen Auftrag in seinem Lied „Im Dunkel“ hinterlassen.
Mit dem Antrag wollen wir genau deswegen eine klare Botschaft senden: Wir stehen an eurer Seite, liebe Betroffene. Wir werden uns für die Verbesserung der Versorgung und Aufklärung einsetzen. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass Long COVID, Post-Vac und ME/CFS nicht nur als medizinische Herausforderung, sondern als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden. Wir wollen
endlich handeln, um den betroffenen Menschen ein besseres Leben, eine Perspektive für eine Zukunft zu ermöglichen, in der Heilung, Hilfe und Hoffnung Realität sind. –
Herzlichen Dank.
(Anhaltender Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN
und vereinzelt Freie Demokraten)
Kathrin Anders (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und
Herren!
Wir reden heute über ME/CFS, Post-Vac- und Long-COVID-Erkrankungen, die für viele Menschen in Hessen zu einem vollständigen Bruch in ihrem Leben geführt haben. Das sind Menschen, die zuvor mitten im Leben standen, ihrem Beruf nachgegangen sind, Sport gemacht haben, ihre Kinder betreut haben. Diese Menschen finden sich plötzlich in einem Leben wieder, das von Erschöpfung, Schmerzen und völliger Hilflosigkeit geprägt ist.
Kinder und Jugendliche, die eigentlich in die Schule gehen, Freunde treffen und Zukunftspläne schmieden sollten, liegen zu Hause isoliert in abgedunkelten Zimmern und kämpfen jeden Tag ohne Hoffnung auf Besserung. Ganze Familien verschulden sich, um ihre schwer kranken Angehörigen zu pflegen.
Meine Damen und Herren, diese Geschichten sind keine Einzelfälle. Sie stehen für eine wachsende Zahl von Betroffenen. Das Tragische ist, dass diese Menschen sich lange auch hier in Hessen alleine gefühlt haben.
Denn was erfahren wir, wenn wir die Landesregierung nach der Versorgungslage fragen? In der Antwort auf unsere Kleine Anfrage noch letztes Jahr, zur selben Zeit, im November war es, kam heraus, dass die Landes-regierung keine Daten darüber hat, wie viele Menschen in Hessen von Long COVID oder ME/CFS betroffen sind. Noch viel schlimmer: Laut der Anfrage plant sie auch nicht die Erhebung dieser Daten.
Meine Damen und Herren, das bedeutet nichts anderes, als dass diese Menschen für die Landesregierung unsichtbar bleiben; denn, was nicht gezählt wird, das existiert nicht im System. Aber wir dürfen eben nicht die Augen vor den Schicksalen dieser Menschen verschließen.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dort, wo es Versorgungsangebote gibt, sieht es düster aus.
Ja, wir haben die spezialisierten Ambulanzen, besonders an den Universitätskliniken Frankfurt, Gießen, Marburg. Aber es sind Ambulanzen, die deutlich überlastet sind. Betroffene warten Monate auf einen Termin, oft ohne die Kraft, diese Zeit überhaupt zu überstehen. Manche Einrichtungen nehmen nur bestimmte Patientengruppen auf, andere Betroffene bleiben komplett außen vor. Betroffene werden oft von Arzt zu Ärztin geschickt, oft ohne Diagnose, ohne Therapie, ohne Hoffnung.
Besonders gravierend ist die Situation bei ME/CFS. Hier gibt es in Hessen bis heute keine eigene Anlaufstelle, keine angemessene medizinische Versorgung. Stattdessen werden Patientinnen und Patienten lediglich online von einer Stiftung in Hannover betreut. Stellen Sie sich das vor, Sie sind so schwer krank, dass Sie kaum Reize ertragen können, und sollen über einen Bildschirm Hunderte Kilometer entfernt medizinische Hilfe erhalten. Das ist kein Versorgungskonzept, das schreit nach dringendem Handlungsbedarf.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
So wie Erwachsene an Anlaufstellen scheitern, so schlimm ist auch die Lage für Kinder und Jugendliche. Hier gibt es keine verlässlichen Zahlen und keine medizinische Versorgung, und für die schulische Teilhabe gibt es auch keinerlei Handlungsleitfaden. Auf unsere Anfrage verweist die Landesregierung auf individuelle Lösungen, was aber in Klartext heißt: Familien müssen sich alleine durchkämpfen. Eltern jonglieren zwischen Arztterminen, streiten mit
Schulämtern, füllen Ordner um Ordner mit Anträgen und erleben, dass ihnen und ihren Kindern nicht geholfen wird.
Was bleibt, sind also Überforderung und Vereinsamung.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen an dieser Stelle deutlich sagen: Das Leid der Betroffenen ist nicht abstrakt. Es ist konkret, es ist greifbar, und es ist zu-
tiefst erschütternd. ME/CFS, Long COVID und Post-Vac sind keine psychoso-matischen Befindlichkeitsstörungen.
Es handelt sich um schwerwiegende Erkrankungen mitmessbaren physiologischen Veränderungen.
Eine Mutter, die früher 40 Stunden gearbeitet hat, berichtet, dass sie heute kaum noch sich selbst und schon gar nicht ihre Kinder versorgen kann. Ein zuvor kerngesunder Jugendlicher kurz vor dem Abitur kann nur noch im abgedunkelten Zimmer liegen und nicht einmal mehr Gespräche führen, ohne dass sich seine Symptome verschlimmern. Das sind Menschen, die über Nacht von Leistungsträgern zu schweren Pflegefällen wurden, und das in einem System, das kaum Antworten für sie hat.
Ich danke der SPD für den heutigen Setzpunkt, aber die Wandlung ist schon beeindruckend. In der Opposition gab es viele Anfragen und Initiativen von Ihnen. Damals wurden die Versorgungslücken auch klar benannt. Heute finde ich den Antrag von Ihnen etwas verwässert, und es scheint, dass die eigenen Initiativen nicht handlungsleitend geworden sind; denn noch immer werden Betroffene vertröstet.
Sie legen einen Antrag vor, der im Wesentlichen aus unverbindlichen Absichtserklärungen besteht: „Der Landtag
begrüßt …“, „Der Landtag stellt fest, …“, „Der Landtag
setzt sich dafür ein, …“. Wir fordern deswegen konkrete,
verbindliche Maßnahmen.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Da geht es nicht nur um individuelles Leid. Frau Dr. Sommer, Sie haben die ökonomische und gesellschaftliche Lage aufgezeigt, was das auch ökonomisch bedeutet. Zwischen 2020 und 2024 geht man von 250 Milliarden Euro Kosten für diese Erkrankungen aus, allein in Deutschland.
Im letzten Jahr, sagt man, sind es etwa 63 Milliarden Euro gewesen. Das zeigt also, es ist kein Randthema, sondern es ist eine der größten gesundheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Wenn wir nicht handeln, wird die Zahl der Betroffenen weiter steigen. SARS-CoV-2 ist nicht verschwunden, und ME/CFS ist auch bislang nicht heilbar.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir brauchen eine Politik, die die Betroffenen sieht, die Strukturen schafft und die vor allem auch Perspektiven gibt. Deswegen ist das in unserem Antrag klar definiert. Wir wollen eine systematische Datenerhebung in Hessen. Wer Betroffene nicht zählt, lässt sie unsichtbar. Wer keine Zahlen hat, kann auch Versorgungsstrukturen nicht valide planen. Zweitens brauchen wir flächendeckende spezialisierte Versorgungsstrukturen, nicht nur an den Universitätskliniken. Wir brauchen wohnortnahe Ambulanzen und Schwerpunkt-praxen, die interdisziplinär arbeiten.
Wir brauchen drittens qualifizierte primärärztliche Versorgungsstrukturen mit ausreichend Fachwissen über das Krankheitsbild.
Als Viertes brauchen wir eine eigenständige hessische Anlaufstelle für ME/CFS, damit Patientinnen und Patienten nicht länger nach Niedersachsen verwiesen werden.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir brauchen dringend verbindliche Leitlinien. Der Kultusminister ist leider nicht da, aber auch für ihn wäre die Diskussion recht wichtig; denn es betrifft vor allem auch Kinder und Jugendliche. Wir brauchen also verbindliche Leitlinien in den Schulen, damit diese Kinder und Jugendlichen ihre Bildungschancen nicht verlieren. Eindeutige Vorgaben zu digitaler Beschulung, zu Nachteilsausgleichen und klare Handreichungen für Lehrkräfte sind dringend notwendig.
Sechstens brauchen wir natürlich die Forschung, die Vernetzung, damit wirksame Therapien entwickelt und innovative Konzepte erprobt werden können. Da darf Hessen nicht am Rand stehen, da muss Hessen Vorreiter werden.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir sprechen über Menschen, die Tag für Tag mit einer Erkrankung kämpfen, die ihr Leben auf den Kopf gestellt hat. Sie brauchen unsere Solidarität, sie brauchen unser Handeln. Deswegen fordern wir die Regierung auch auf:
Kehren Sie zu den eigenen Versprechen zurück. Hören Sie auf die Betroffenen. Bauen Sie endlich die Strukturen auf, die Hessen dringend braucht, und geben Sie damit den Betroffenen ein bisschen Hoffnung, die diese sehr dringend
brauchen. – Herzlichen Dank.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Volker Richter (AfD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Weltweit sind vermutlich weit mehr als 40 Millionen Menschen von Myalgischer Enzephalomyelitis bzw. Chronischem Fatigue-Syndrom – kurz ME/CFS– betroffen. Für Deutschland geht man von 650.000 errankten Bürgern aus. Vor dem Jahr 2020, also vor SARS-CoV-2, wurde die Zahl der Betroffenen auf etwa 250.000 Menschen geschätzt, darunter 40.000 Kinder und Jugendliche.
Bereits 2022 und 2023 forderte die CDU/CSU-Fraktion in mehreren Bundestagsanträgen und öffentlichen Statements von Friedrich Merz eine langfristige und breit angelegte Forschungsstrategie für Long COVID, ME/CFS und Impfschädigungen nach dem Vorbild der Nationalen Dekade gegen Krebs. Das entspräche einem langjährigen Förderungsvolumen von rund 500 Millionen Euro.
Meine Damen und Herren, was ist geschehen? Was ist da bis heute umgesetzt worden? Die einfache Antwort ist: nichts. Ist das dringendes Handeln? Wenn also selbst auf der Bundesebene seit Jahren kein Vorwärts-kommen zu erkennen ist, was erhofft man sich dann von dem sehr ausführlich gehaltenen Antrag der hessischen Regierungskoalition,
(Beifall AfD)
gerade angesichts dessen, dass die AfD-Fraktion in der letzten Plenarwoche hier, im Hessischen Landtag, einen Antrag eingebracht hatte, endlich den Impfgeschädigten in Hessen zu helfen und deren Probleme ernst zu nehmen?
(Beifall AfD)
Wie wurde mit unserem Antrag umgegangen? Die Antwortist ganz einfach. CDU, SPD, aber auch FDP und GRÜNE haben eine Unterstützung für die Opfer der Corona-Impfkampagne und vermehrte Hilfe für über 8.000 Patienten, die in Marburg auf eine Behandlung warten, einfach abgelehnt. Das ist die Realität – und nicht Ihre warmen Worte, die am Ende keinem helfen. Da muss ich sogar den GRÜNEN zustimmen, was mir wirklich schwerfällt.
Präsidentin Astrid Wallmann:
Herr Abgeordneter Richter, lassen Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Dr. Sommer zu?
Volker Richter (AfD):
Nein. – Angesichts dessen legen CDU und SPD einen Antrag mit dem Titel „Long COVID und ME/CFS: Betroffene Menschen stärken“ vor.
Meine Damen und Herren, das passt einfach nicht zusammen. Sie stehen eben nicht auf der Seite der Betroffenen.
Aber in Ihrem Antragstext findet sich tatsächlich auch das Wort Post-Vac. Das haben wir auch in den Reden eben gehört. Nun möge man denken, jetzt widmen Sie sich endlich auch den Impfgeschädigten, endlich erkennt die Koalition auch Impfschäden an.
Nein, meine Damen und Herren, wir haben dazu eben
nichts direkt gehört. Es wurden Krankheitssymptome geschildert, aber keine einzige konkrete Maßnahme in Ihrem Antrag zielt ausdrücklich auf die Opfer von Impfschäden.
(Beifall AfD)
Diese werden lediglich beiläufig erwähnt, neben ME/CFS und Long COVID, in der Hoffnung, dass niemand merkt, dass Impfschäden auch hier wieder unter den Teppich gekehrt werden. Was passiert hier eigentlich?
Long COVID, das sind die langfristigen Folgen einer Virusinfektion, die durch die Impfung begünstigt werden können. ME/CFS ist eine schwere chronische Krankheit, die oft postviral auftritt und endlich mehr Aufmerksamkeit verdient. Das ist gar keine Frage, und da stimmen wir Frau Dr. Sommer ausdrücklich zu. Das, was gerne verharmlosend und nebulös mit Post-Vac bezeichnet wird, das ist nichts anderes als Impfschäden.
Noch einmal ganz deutlich: Long COVID ist postviral. Die Impfschäden, also das Post-Vac-Syndrom, sind Wirkung einer experimentellen, den Menschen als weitgehend nebenwirkungsfrei dargestellten und unter politischem Druck verabreichten Impfung.
(Beifall AfD)
Meine Damen und Herren, das ist ein himmelweiter Unterschied. Sie stellen somit Long COVID und Impfschäden strategisch auf eine Stufe, als wäre das ein und dasselbe Phänomen. Da stellt sich noch eine Frage: Musste erst Corona auftreten, damit ME/CFS, welches bereits 1969 von der WHO als neurologische Erkrankung eingestuft wurde, in die Öffentlichkeit rückt?
Wer so verfährt, hat entweder die Problemlage nicht verstanden, oder er tut es mit voller Absicht, um unliebsame Wahrheiten zu verschleiern.
Nun frage ich Sie: Warum erwähnen Sie Post-Vac überhaupt, wenn Sie in Wahrheit nichts Substanzielles dazu zusagen haben?
(Beifall AfD)
Erlauben Sie eine weitere Frage, auf die wir auch dringend eine Antwort möchten. Diese Frage ist wirklich berechtigt:
Kann ME/CFS im vermehrten Auftreten auch eine Wirkung der mRNA-Impfungen sein und somit sowohl von COVID-19 und den Langzeitfolgen herrühren als auch von den Impfungen? – Sie schütteln den Kopf. Mittlerweile vorliegende Untersuchungen und anerkannte Studien deuten durchaus darauf hin – auch dazu kein Wort von Ihnen.
(Beifall AfD)
Warum also kein eigener Abschnitt, keine eigene Maßnahme für Impfge-schädigte, wo man darauf eingeht? Zum Beispiel durch eine verstärkte Forschung genau in diese Richtung; denn, wenn nicht gehandelt wird, wenn Sie nicht forschen, dann kann man die Langzeitwirkungen des gentechnischen Impfstoffes gar nicht einschätzen.
Noch einmal, weil es so wichtig ist – ich weiß, Sie möchten es nicht hören, aber es ist so –: Sie haben den größten medizinischen Feldversuch der deutschen Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg zu verantworten.
(Beifall Dr. Frank Grobe und Sandra Weegels
(AfD))
Präsidentin Astrid Wallmann:
Herr Abgeordneter Richter, lassen Sie eine Zwischenfrage
der Abgeordneten Anders von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu?
Volker Richter (AfD):
Nein. – Sie haben den größten medizinischen Feldversuch der deutschen Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg zu verantworten, und Sie sind nicht bereit, darüber aufzuklären, welche Folgeschäden dadurch entstanden sind.
(Beifall AfD – Zuruf Lena Arnoldt (CDU))
Wenn ich unrecht habe, forschen Sie, und kehren Sie es nicht unter den Teppich. Ihr Antrag setzt sich vielmehr für die gesellschaftliche Wahr-nehmung und Anerkennung der schwerwiegenden Multiorganerkrankung ME/CFS ein. Das ist, wie gesagt, absolut begrüßenswert. Aber Sie verwehren
diese Anerkennung gleichzeitig den Impfgeschädigten, und Sie erdreisten sich, schließlich noch zu sagen, hier wären wir als Gesellschaft auf einem guten Weg.
Sie reden dieses spezifische Problem klein, indem Sie es
im allgemeinen Long-COVID-Thema auflösen. So machen Sie auch die Statistiken und entlasten damit die Impfstoffhersteller und die Verantwortlichen der Impfkampagnen, die weitgehend aus der Haftung entlassen wurden.
(Beifall AfD)
Offiziell ist gar nicht mehr davon die Rede, dass manche Menschen durch die Impfung krank geworden sind. Übrigens werden die meisten sagen, sie haben Long COVID, weil sie weitaus besser stehen, wenn sie sagen, sie haben Long COVID; denn bei Impfschäden rümpft jeder sofort die Nase.
(Zurufe Tobias Eckert (SPD) und Miriam Dahlke
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Meine Damen und Herren, wenn dann nur noch nebulös von postinfektiösen Erkrankungen gesprochen wird, dann stehen BioNTech und Co. natürlich auch nicht am Pranger.
Wie praktisch ist das eigentlich für die Pharmakonzerne, und wie praktisch ist das eigentlich auch für Ihre eigene Regierungsbilanz?
(Beifall AfD)
Kein Wort der Kritik an den Impfstoffen – wir hören Post-Vac, aber kein Wort der Kritik an den Impfstoffen.
Stattdessen werden die Betroffenen umetikettiert. Das ist bequem, es ist aber zugleich unglaublich zynisch und unfair gegenüber den Impfopfern.
(Lara Klaes (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagen die Richtigen!)
Meine Damen und Herren, dabei wäre genau hier der richtige Ansatz; denn vor einigen Tagen haben 13 Organisationen Betroffener und Angehöriger vom Bundesforschungsministerium einen entschlossenen Ausbau der biomedizinischen Forschung zu ME/CFS, Long COVID und dem Post-Vac-Syndrom gefordert. Jetzt kommen Sie mit Ihrem
Antrag, der angeblich „betroffene Menschen stärken“ will, aber ausgerechnet jene, die durch Impfnebenwirkungen betroffen sind, praktisch ausklammert.
(Beifall AfD)
Nein, es ist noch schlimmer. Sie klammern sie nicht offen aus, Sie verstecken sie einfach in Ihren Statistiken und machen sie damit nicht mehr sichtbar. Erwähnt, aber nicht behandelt – das ist nichts anderes als selektive Fürsorge.
Long-COVID-Betroffene stehen voll im Rampenlicht Ihrer Aufmerksamkeit. Dafür werden Forschungsprojekte aufgelegt, Fördergelder verteilt und Spezialzentren aufgebaut, wogegen prinzipiell auch nichts einzuwenden ist. Dann nennen Sie das Kind aber bitte auch beim Namen und sprechen von Long COVID nach Erkrankungen ohne Impfung und Long COVID nach Erkrankungen mit Impfung sowie Post-Vac, sprich: Impfschäden.
(Beifall AfD)
Warum gibt es Fördermillionen für Long-COVID-Projekte, während die Impfopfer oft ohne Therapieplatz und ohne Ansprechpartner dastehen? Ich erwähne es noch einmal: Das größte Wartezimmer der Welt ist in Marburg mit 8.000 Patienten.
(Tobias Eckert (SPD): Das stimmt einfach nicht, was Sie da erzählen! – Zuruf Dr. Daniela Sommer (Waldeck-Frankenberg) (SPD))
Es interessiert Sie nicht. Warum fördern Sie nur das, was in Ihr politisches Narrativ passt? Genau da liegt der Hund begraben, und deshalb auch dieser Antrag. Es passt nicht in Ihr politisches Narrativ, dass es überhaupt nennenswerte Impfschäden gibt. Sie haben der hessischen Bevölkerung
schließlich monatelang versichert, die Impfungen seien sicher und nebenwirkungsarm. Würden Sie jetzt offen eingestehen, dass Tausende Menschen
(Turgut Yüksel (SPD): Tausende sind gestorben!)
aufgrund der Impfung schwer erkrankt sind und ME/CFS durchaus auch zu Impfschäden gezählt werden könnte, dann müssten Sie sich wirklich fragen, ob Sie vielleicht auch Fehler gemacht haben.
(Beifall AfD – Zuruf Stephan Grüger (SPD))
– Ja, Fehler kommen bei der SPD nicht vor, deswegen sind
Sie auch schon bei 90 %.
(Stephan Grüger (SPD): Das ist einfach nur miese Stimmungsmache! Sie schlachten das Leid von Leuten aus! – Gegenruf AfD: Das ist doch Unsinn!)
Meine Damen und Herren, was ist mit der Produkthaftung von BioNTech? – Wir schlachten nichts aus, Sie verschließen die Augen. Sie tun so, als gäbe es sie nicht, weil Sie nicht schuld sein wollen.
(Beifall AfD)
Sie wollen nicht schuld sein. Sie stellen sich hierhin, stellen uns an den Pranger.
(Ingo Schon (CDU): Sprechen Sie auch zum Antrag?)
Es war Ihre Politik, die das alles durchgesetzt hat. – Was ist denn nun mit der Produkthaftung von BioNTech? BioN-Tech hat Milliarden Euro mit den Impfstoffen verdient,
(Stephan Grüger (SPD): Es geht darum, Kranken zu helfen!)
und es wäre zu ermitteln, wie viele der Long-COVID-Patienten bereits eine Impfung hatten; denn dazu gehört auch eine erhöhte Anfälligkeit für nachfolgende COVID-Erkrankungen und für Long COVID.
Präsidentin Astrid Wallmann:
Herr Abgeordneter Richter, kommen Sie bitte zum
Schluss.
Volker Richter (AfD):
Ja. – Sie müssten sich also auch von den ME/CFS-Patienten fragen lassen, ob Sie die Impfrisiken nicht unterschätzt haben oder diese vielleicht sogar vertuscht wurden.
Meine Damen und Herren, exakt diese Debatte möchten Sie vermeiden, deswegen Ihre Einwürfe. – Vielen Dank.
(Beifall AfD)
Präsidentin Astrid Wallmann:
Für eine Kurzintervention darf ich nun das Wort an die
Abgeordnete Anders von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
geben. Redezeit: zwei Minuten.
Kurzintervention Kathrin Anders (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Rede der AfD:
Vielen lieben Dank, Frau Präsidentin. – Ich glaube, nach einer solchen Rede und besonders, da Betroffene von Post-Vac, von Long COVID, von ME/CFS hier im Saal sind, muss man schon einmal einiges klarstellen. Sie sprechen
von der Ausgrenzung von Post-Vac-Betroffenen. Ich glaube, ich kann für alle demokratischen Fraktionen sprechen, dass diese Gruppe explizit nicht ausgegrenzt wird.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD
und Freie Demokraten)
Die Einzigen, die permanent Menschen mit Remigrationsplänen und anderen Versuchen ausgrenzen wollen, das ist die Partei am rechten Rand. Wir Demokraten stehen für eine Gesundheitsversorgung für alle.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD
und Freie Demokraten)
Herr Richter, Ihre Rede war – wie schon vor drei Wochen im Plenum – relativ eindimensional. Wenn Sie ausschließlich auf Impfgeschädigte schauen und wenn das Ihr einziger Fokus ist, dann erkennen Sie das Leid der vielen anderen Menschen nicht an. Sie erkennen vor allem nicht an, dass die Impfung Leben gerettet hat.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und Freie Demokraten)
Sie zitieren immer interessante Studien, wer alles wie herausgefunden hat, dass einzig und allein die Impfung für die Erkrankungen verantwortlich ist.
(Andreas Lichert (AfD): Das hat doch niemand be-
hauptet! – Gegenruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zeigen Sie uns endlich diese Studien, zeigen Sie uns endlich, welche der wissenschaftlichen Fakultäten in Deutschland diese Studien aufgesetzt haben. Legen Sie endlich einmal vor, wo da die Evidenz sein soll. Wir sehen, wie viele Millionen Menschen geimpft wurden, wie viele Menschen dadurch gerettet wurden, und wir erkennen das Leid derer an, die nun langfristig erkrankt sind. Um die sollten wir uns kümmern, denen sollten wir endlich Angebote machen, statt Ihrem Geschwurbel weiterhin zuzuhören.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD
und Freie Demokraten)
Präsidentin Astrid Wallmann:
Zur Erwiderung hat nun der Abgeordnete Richter der AfD-Fraktion ebenfalls zwei Minuten.
Volker Richter (AfD): Erwiderung
Ich danke sehr für die Kurzintervention. Sie hat nämlich
aufgezeigt, dass Sie sehr viel mit Vorurteilen und Feindbildern arbeiten.
(Beifall AfD – Lachen CDU, SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
Das tun wir nicht. Nein, das tun wir nicht. – Ja, Sie lachen, aber das ist genau Ihre Masche. Sie unterstellen anderen das, was Sie tun. Ich habe zu keiner Zeit gesagt,
(Lena Arnoldt (CDU): Jetzt zerlegen Sie sich zum
zweiten Mal! – Gegenruf AfD: Einfach einmal zuhören!)
dass die Impfungen für alle Schäden verantwortlich sind. Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass Sie die Impfopfer in den Statistiken untergehen lassen, und das stimmt; denn die Impfopfer sind in den Long-COVID-Statistiken enthalten.
(Beifall AfD)
Es ist auch nicht so, dass wir für die Menschen, die erkrankt sind und deren Erkrankung nichts mit COVID zu tun hat, nicht zur Verfügung stehen – selbstverständlich.
Aber es ist Ihre Politik, die seit Jahrzehnten dieses Gesundheitssystem schlicht und einfach ruiniert. Schauen Sie sich doch einmal an, wie es den Menschen da draußen geht, wie die Menschen mittlerweile Ärzte suchen: Fachärztemangel, auch auf dem Land.
Meine Damen und Herren, wenn Sie mit dem Finger auf uns zeigen,
(Tobias Eckert (SPD): Das mit den Studien kommt noch?)
dann müssen Sie einmal klarmachen: Sie sind in der Regierung,
(Beifall AfD)
und Sie schaffen es nicht, den Menschen zu helfen. Wenn Sie den Menschen so, wie Sie es eben gesagt haben, helfen würden, würde sich die Frage stellen, warum denn 8.000 Patienten in Marburg auf der Warteliste stehen. Warum sagt der dortige Klinikprofessor, das sei ein Hilferuf an die
Politik? Warum haben Sie einen Antrag von uns abgelehnt, der diesen Hilferuf aufgenommen hat?
(Beifall AfD)
Warum sollte das einseitig sein? Das ist nicht einseitig.
Wir nehmen das auch ernst, wenn es um die Betroffenen geht. Ob die Impfungen Leben gerettet haben oder nicht, das steht nicht zur Debatte. Vielmehr gibt es Impfopfer und Impfschäden. Es gibt sie auch bei anderen Impfungen. Da wird das ernst genommen. Da hilft man den Menschen.
Aber in diesem Fall wird das unter den Teppich gekehrt.
Denn diese Menschen sind in einem Umfang vorhanden, den Sie nicht wahrhaben wollen.
(Beifall AfD)
Sie haben gesagt, dass diese Impfungen weitgehend nebenwirkungsfrei seien. Das haben Sie gesagt.
Volker Richter (AfD):
Das war eine Lüge. – Vielen Dank.
(Beifall AfD – Zuruf AfD: Die Protokolle liegen doch vor!)
Yanki Pürsün (Freie Demokraten):
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Long COVID und ME/CFS sind Erkrankungen, die das Leben vieler Menschen nicht nur für ein paar Wochen oder ein paar Monate, sondern oft für Jahre verändern. Manchmal verändern sie es sogar für immer. Menschen, die vorher mitten im Leben standen, können plötzlich keine Treppen
mehr steigen. Sie sind dauerhaft erschöpft und verlieren ihre Arbeits-fähigkeit. Sie kämpfen mit massiven körperlichen Einschränkungen und mit sozialer Isolation.
Viel zu oft kämpfen sie auch mit dem Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.
Mit rund 800.000 Betroffenen allein in Deutschland sprechen wir längst nicht mehr über ein Randthema. Wir sprechen über eine gesundheits-politische Aufgabe von enormer Tragweite.
Die Folgen sind gewaltig: eingeschränkte Arbeitsfähigkeit, stark reduzierte Lebensqualität und eine enorme Belastung für die Angehörigen und die Pflegenden. Gerade Kinder und Jugendliche sind besonders betroffen, und zwar mit allen Konsequenzen für ihre Schulzeit, ihre Bildungschancen und ihre soziale Teilhabe.
(Zustimmung Freie Demokraten)
Es ist gut und längst überfällig, dass wir dieses Thema im Landtag diskutieren. Aber ich sage auch das ganz deutlich: Diese Aufmerksamkeit kommt spät. Denn, während CDU und SPD das Thema erst jetzt mit einem Antrag aufgreifen, waren die Freien Demokraten schon aktiv, als noch kaum jemand darüber sprach. Mein Thüringer Kollege Robert-Martin Montag hat sich bereits zu Zeiten der sogenannten „LiegendDemos“ intensiv mit der Situation der Betroffenen befasst.
Wir haben Kleine Anfragen gestellt, als das Thema noch nicht im Fokus der politischen Debatte stand. Wir haben früh gewarnt: Die Versorgungslücken müssen geschlossen, die Forschung muss intensiviert und die bürokratischen
Hürden müssen konsequent abgebaut werden.
(Beifall Freie Demokraten)
Heute liegen viele richtige Vorschläge auf dem Tisch. Aber es reicht nicht, sie nur aufzuschreiben. Jetzt ist entschlossenes Handeln gefragt.
Eine wirksame Behandlung kann es nur geben, wenn die Forschung endlich wieder vorangetrieben wird. Die Ursachen für ME/CFS und Long COVID werden bis heute nicht ausreichend verstanden. Deshalb unterstützen wir ausdrücklich die Forderung nach einer Ausweitung der Forschungs-förderung und nach stärkeren Kooperationen.
Hier kann und sollte Hessen eine Spitzenrolle einnehmen, indem wir gezielt innovative Projekte fördern, die helfen, Leid zu verhindern und wirksame Therapien zu entwickeln.
Wir sehen außerdem große Chancen in der Digitalisierung des Gesundheits-wesens. Digitale Rehabilitationsangebote, telemedizinische Betreuung und die Nutzung digitaler Patientenakten könnten für viele Betroffene, die in ihrer Mobilität stark eingeschränkt sind, den entscheidenden Unterschied ausmachen. Das im Antrag erwähnte Projekt AmRe-LoCO ist ein guter Anfang. Solche Initiativen müssen konsequent ausgebaut und flächen-deckend umgesetzt werden.
Ein Aspekt, der unserer Ansicht nach bislang noch zu kurz kommt, ist die Diagnostik. Sie ist heute häufig aufwendig, kompliziert und dauert viel zu lang. Gerade die Hausärzte, die oft die ersten Ansprechpartner für die Betroffenen sind, brauchen mehr Unterstützung. Sie brauchen klare, verständliche und leicht anwendbare Standards, wie den 1-Minute-Sit-to-Stand-Test oder die Canadian Consensus Criteria.
Wir brauchen verpflichtende Fortbildungen, damit die Diagnosen schneller gestellt und Fehldiagnosen vermieden werden können. Ebenso wichtig ist, dass dieser diagnostische Aufwand angemessen vergütet wird. Denn diese Erkrankungen lassen sich nicht in fünf Minuten zwischen Tür und Angel abhandeln. Wer will, dass die Betroffenen schnell und kompetent Hilfe bekommen, muss dafür sorgen, dass sich diese Arbeit für die Ärztinnen und Ärzte lohnt.
Besondere Aufmerksamkeit müssen wir den jüngsten Patientinnen und Patienten schenken. Die Kinder und Jugendlichen verlieren nicht nur Lebensqualität, sondern auch Bildungschancen. Deshalb brauchen wir flexible, digital gestützte Lösungen. Homeoffice-Regelungen für die Eltern, digitale Lernangebote und individuell angepasste Unterstützungsmodelle in der Schule und in der Ausbildung sind keine netten Zusatzoptionen, sondern echte Notwendigkeiten.
(Beifall Freie Demokraten)
Integration statt Ausgrenzung, das muss unser Anspruch sein. Zentrale Beratungsstellen und verbindliche Handreichungen für die Schulen, wie sie in den Anträgen vorgeschlagen werden, können wertvolle Unterstützung leisten, sofern sie praxisnah gestaltet sind. Unser Ziel ist es nicht, einen neuen Verwaltungsapparat aufzubauen. Vielmehr wollen wir, dass konkrete Hilfen für die Schulen, dieLehrkräfte und die Familien bereitgestellt werden.
Wir müssen außerdem viel stärker aufklären. Noch immer erleben die Betroffenen Stigmatisierung. Noch immer wird ihre Erkrankung zu oft psychologisiert. Die gesellschaftliche Wahrnehmung von ME/CFS und Long COVID muss sich ändern. Die Rentenversicherungsträger und die sozialen Dienste müssen diese Erkrankung als eine körperliche anerkennen und die Ansprüche entsprechend einordnen.
Aufklärungskampagnen in der Gesellschaft, in der Ärzteschaft, bei den Gutachtern und in der Sozialgerichtsbarkeit sind ebenso wichtig wie eine bessere Sensibilisierung des medizinischen Fachpersonals. Das betrifft etwa die Rettungsdienste und die Notaufnahmen. Nur so können wir sicher-stellen, dass die Menschen nicht zusätzlich durch Unwissenheit oder Fehl-behandlung belastet werden.
Unser Ziel muss es sein, die Betroffenen in die Lage zu versetzen, ihr Leben so weit wie möglich eigenverantwortlich zu gestalten. Dafür muss unser Gesundheitssystem den nötigen Rahmen schaffen, und zwar durch den Einsatz neuer Technologien, durch gezielte Unterstützung und durch eine konsequente Verbesserung der Versorgungsstrukturen.
Dabei gilt für uns Freie Demokraten: Neue Strukturen dürfen nicht einfach plötzlich aufgebaut werden. Sie müssen dort entstehen, wo man damit Versorgungslücken schließen und bestehende Angebote sinnvoll ergänzen kann. Wir brauchen Lösungen, die wirken, und keine Bürokratie, die
mehr Zeit und Geld frisst, als sie an Nutzen bringt.
Long COVID und ME/CFS sind komplexe Erkrankungen,
die unsere Gesellschaft fordern. Sie verlangen Solidarität, wissenschaftlich fundiertes Handeln und den Mut, neue Wege zu gehen.
Deshalb sagen wir heute klar: Wir begrüßen die beiden vorliegenden Anträge. Wir werden ihnen zustimmen. Das geschieht nicht, weil wir jeden einzelnen Aspekt teilen, sondern weil das wichtige Schritte in die richtige Richtung sind.
Gerade bei der Initiative der GRÜNEN sehen wir Vorschläge, die sehr weit reichen. Wir teilen das Ziel, die Versorgung in Hessen deutlich zu verbessern. Wir werden aber darauf achten, dass die Umsetzung konkret, praxisnah und umsetzungsorientiert bleibt. Wir werden weiter genau
hinschauen und uns dafür einsetzen, dass schwer kranke Menschen einfacher und schneller an die dringend benötigte Unterstützung kommen. Denn eines ist klar: Die Betroffenen können nicht warten.
(Beifall Freie Demokraten und vereinzelt BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
Sandra Funken (CDU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorangestellt möchte ich erst einmal ein herzliches Dankeschön an Frau Anders richten, dass sie hier einiges klargestellt hat. Die Einzigen, die bei diesem wichtigen Thema wieder einmal ausgrenzen und polemisieren, sind
die Mitglieder der AfD-Fraktion.
(Beifall CDU, vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten – Zuruf AfD: Im Gegenteil!)
Ich möchte das noch einmal für alle ins Gedächtnis rufen.
Der Antrag hat den Titel: „Long COVID und ME/CFS:
Betroffene Menschen stärken“. Long COVID und ME/CFS sind für viele Menschen in Hessen keine Begriffe, sondern harte Realität. Es geht um
die Väter und die Mütter. Es geht um die Kinder und die Jugendlichen, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nach einer Infektion mit Long COVID oder einer anderen Erkrankung nicht mehr in ihr altes Leben zurückgefunden haben. Sie werden vielleicht auch nie wieder dahin
zurückfinden.
Wir haben es heute schon des Öfteren gehört: Diese Menschen kämpfen mit extremer Erschöpfung, mit Schmerzen, Herzrasen, Schwindel oder kognitiven Einschränkungen.
Manche sind so schwer betroffen, dass sie das Bett nicht mehr verlassen können. Andere schaffen es gerade noch, ab und zu am täglichen Leben teilzunehmen, bevor sie danach wieder vollständig zusammenbrechen.
Meine Damen und Herren, wahrscheinlich haben auch hier im Raum vorher nur wenige von ME/CFS gehört. Es ist keine seltene Krankheit, und es ist schon gar kein Randthema. Diese Volkskrankheit ist still – nicht nur, weil nicht viel darüber berichtet wird, sondern weil die betroffenen Personen einfach aus ihrem sozialen Umfeld verschwinden. Sie sind nicht mehr da, Freunde sehen sie nicht mehr Familienangehörige können oftmals nur wenige Minuten mit ihnen verbringen. Schon vor der Pandemie waren Hunderttausende von ME/CFS betroffen, aber die Zahl hat sich
verdoppelt. Hinzu kommen weitere Long-COVID- und Post-Vac-Erkrankte.
Die Stimmen der Betroffenen dürfen wir nicht länger überhören. Unser Antrag setzt deswegen an mehreren Punkten an:
Erstens. Eine bessere Versorgung. Wir brauchen spezialisierte Angebote für Diagnose und Therapie. In unseren Gesprächen mit Betroffenen, mit Initiativen, mit Kliniken und Ärzten ist klar geworden, dass es essenziell ist, dass Hausärzte diese Krankheit kennen und vor allen Dingen auch erkennen. Das ist wichtig, damit Long COVID und ME/CFS frühzeitig erkannt und behandelt werden können.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Betroffene, Initiativen und Ärzte, die uns bei diesem Antrag so tatkräftig unterstützt haben.
(Beifall CDU, SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten)
Das ist eine wichtige Arbeit, die wir gemeinsam erreicht haben. Nur wenn Ärztinnen und Ärzte in Fort- und Weiterbildungen das nötige Wissen erhalten, können sie Betroffene angemessen versorgen. Daher ist die Kooperation mit Betroffenenverbänden und, ganz wichtig, der Landesärztekammer ein zentraler Baustein, um Versorgung und Anerkennung dauerhaft zu sichern.
Gleichzeitig braucht es konkrete Unterstützung im Alltag der Erkrankten, aber vor allem auch der Angehörigen.
Solange es kein zugelassenes Medikament für ME/CFS und Long COVID gibt, setzen wir uns ausdrücklich dafür ein, dass die gesetzlichen Kranken-kassen die Kosten für Off-Label-Therapien übernehmen. Betroffene dürfen nicht länger im Stich gelassen werden, sondern müssen Zugang zu den Medikamenten erhalten, die sich in der Praxis bereits bewährt haben.
(Beifall CDU und SPD)
Das bedeutet gleichzeitig natürlich auch, dass Long-COVID-Ambulanzen und spezialisierte Zentren weiter gestärkt und flächendeckend ausgebaut werden müssen.
Aber auch pflegende Angehörige dürfen wir auf keinen Fall vergessen. Sie brauchen unsere Unterstützung durch Beratungsangebote, Pflegeanleitung und finanzielle Entlastung. Viele können nicht mehr komplett arbeiten gehen und sind mit der Pflege der Angehörigen beschäftigt.
Als Zweites zielen wir auf das Thema mehr Wissen und Forschung. Wir müssen diese Krankheit ernst nehmen und bekannt machen – in der Wissenschaft, in der Ärzteschaft, in der Gesellschaft. Dazu gehört, dass ME/CFS und Long COVID in die Lehrpläne des Medizinstudiums aufgenommen werden.
Aufklärungskampagnen für medizinisches Personal, Schulen, Sozialdienste, Vertreter der Krankenkassen, aber auch für Gutachter und Gerichte, sind von zentraler Bedeutung. Nur so können sie im Rahmen ihrer Tätigkeiten Entscheidungen zum Wohle der Patientinnen und Patienten treffen.
Ein ganz zentrales Thema ist, dass die Forschung zu Therapiemöglichkeiten und Medikamenten intensiviert wird;
denn nur Forschung und wirksame Medikamente bringen den Betroffenen Hoffnung und Perspektive.
(Beifall CDU, SPD und Dr. Matthias Büger (Freie Demokraten))
Als Drittes geht es um gesellschaftliche Anerkennung und Teilhabe. Noch immer werden Betroffene stigmatisiert, noch immer heißt es oft, sie seien psychisch krank. Das haben wir auch heute mehrfach gemeinsam festgestellt.
Das ist aber falsch, und es ist eine zusätzliche Zumutung.
Meine Damen und Herren, ich habe in meinem engsten
Familienkreis erlebt, was es bedeutet, falsch diagnostiziert und als psychisch krank eingestuft zu werden, falsch medikamentös behandelt zu werden und am Ende in eine Reha geschickt zu werden, aus der man kränker heraus-kommt, als man hineingegangen ist, weil man dort noch nie etwas von Pacing oder einem Crash gehört hat.
Wir fordern, dass alle diese Krankheit als körperliche Erkrankung aner-kennen; denn Betroffene verlieren oft Arbeitsfähigkeit, Rentenansprüche und ihre wirtschaftliche Stabilität. Hier müssen Kompensations- und Unterstützungsleistungen greifen.
Wir haben es gehört: Die sozioökonomischen Kosten dadurch sind enorm. Allein durch ME/CFS und Long COVID entstehen in Deutschland jedes Jahr Milliardenschäden für Wirtschaft und Gesellschaft. Doch viel entscheidender ist: Die Menschen wollen nicht aufgeben. Sie wollen arbeiten, sie wollen mitgestalten, und sie wollen teilhaben. Dafür müssen wir ihnen Wege öffnen.
(Beifall CDU, SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten)
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch auf ein
Herzensthema eingehen, nämlich viertens, Kinder und Jugendliche.
Auch das haben wir heute mehrfach gehört:
Gerade in dieser Altersgruppe bestehen besondere Herausforderungen, die eine deutliche Ausweitung der Forschung erforderlich machen; denn Kinder zeigen oft andere Symptomkomplexe als Erwachsene. Nicht selten führt das zu Fehldiagnosen und einem erhöhten Krankheitsdruck.
Für einen positiven Krankheitsverlauf ist es enorm wichtig, dass allen, die mit Heranwachsenden arbeiten – Kinderärzte, Schulen, Vereine, Kitas –, ein Grundwissen zur Erkrankung zur Verfügung gestellt wird. Zeit ist bei
ME/CFS undLong COVID ein wichtiger Faktor.
Frau Anders hatte angesprochen, dass hier eine der vielenverbindlichen Maßnahmen kommt: Das Kultusministerium plant derzeit, an allen Schulen ein Informationsschreiben zu medizinischen Grundlagen und Auswirkungen der Erkrankung bereitzustellen. Schulen und Lehrkräfte sollen zudem Informationen zu schulischen Unterstützungsmöglichkeiten erhalten – auch das ist wichtig, wenn Lehrerinnen und Lehrer feststellen, dass ein Kind an ME/CFS erkrankt ist. Hier müssen Lehrer wissen, wie sie beraten
können und wie es weitergehen kann.
Außerdem soll die Thematik in die Fortbildung integriert werden, damit Lehrkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher die Erkrankung erkennen und betroffene Kinder und Jugendliche besser unterstützen können. Schulen müssen Strukturen schaffen, die dauerhaft flexible Lösungen ermöglichen, vom Nachteilsausgleich über Haus- und Onlineunterricht bis hin zu digitalen Unterstützungsformenwie Schulrobotern.
Unser Ziel ist es, dass betroffene Kinder nicht doppelt belastet werden – gesundheitlich und in Bezug auf ihre Bildung.
(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und Freie Demokraten)
Ich danke Gesundheitsministerin Diana Stolz, Kultusminister Schwarz und Wissenschaftsminister Gremmels für die Unterstützung des Antrags wie auch für die Umsetzung der Maßnahmen. Für uns alle gilt eines: Es sind menschliche Schicksale, die hinter dieser Krankheit stecken.
Unser Auftrag ist klar: Wir müssen die Betroffenen stärken, wir müssen ihnen eine Stimme geben, und wir müssen dafür sorgen, dass sie bestmöglich versorgt werden und Unter-
stützung erhalten. – Vielen Dank.
(Beifall CDU, SPD und Vanessa Gronemann
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Diana Stolz, CDU, Ministerin für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!
Wir sprechen von Long COVID und ME/CFS. Wir sprechen von Erkrankungen, die das Leben der Betroffenen ganz plötzlich hart und tiefgreifend verändern. Wir sprechen von Menschen, von Kindern, von Eltern, von jungen und alten Menschen, die unsichtbar geworden sind, weil sie aus dem Alltagsleben verschwunden sind. Menschen, die vorher mitten im Leben standen, sind plötzlich von ständiger Erschöpfung, von Atemnot, von Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen oder von schweren Schmerzen betroffen. Manche können ihrem Beruf nicht mehr nachgehen, manche schaffen nicht einmal mehr die alltäglichsten Dinge, und manche sind bettlägerig und pflegebedürftig. Und es kommen immer neue Fälle
dazu.
COVID kann ein Auslöser für diese Krankheitsbilder sein, aber auch andere Infektionen, etwa Influenza oder Pfeiffersches Drüsenfieber, können sie auslösen – und ja, auch Post-Vac. Hierbei danke ich Frau Anders für die Einordnung.
(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und vereinzelt Freie Demokraten)
Eines ist klar: Sie können, ich kann, wir alle können an Long COVID oder
ME/CFS erkranken. Die Zahlen im Antrag sprechen eine klare Sprache. Wir wissen, dass viele Menschen betroffen sind. Bei aller Statistik dürfen wir nie
vergessen: Hinter allen Zahlen stecken Einzelschicksale.
Liebe GRÜNE, ich weiß, dass ihr gerne Steuergelder für Statistiken ausgebt. Mir ist es aber wichtiger, dass Hilfe bei den Menschen ankommt,
(Zuruf AfD: Oh, oh!)
bei Menschen, für die plötzlich alles anders ist. Nicht nur für sie, auch für deren Familien und Angehörige ist plötzlich alles anders. Nichts ist schlimmer, als dass Betroffene in dieser Situation nicht ernst genommen werden. Nichts ist verletzender, als in dieser Situation ein „Stell dich doch nicht so an“ entgegengeschleudert zu bekommen, wenn man doch eigentlich Verständnis und Unterstützung bräuchte.
Es ist nicht immer Empathielosigkeit, die aus solchen Äußerungen spricht; oft ist es auch schlicht Unwissenheit.
Längst nicht jeder weiß, was Long COVID oder ME/CFS ist. Daher begrüße ich sehr, dass wir uns heute hier im Plenum mit diesem Thema befassen.
Der Antrag der Fraktionen von CDU und SPD erhöht die Sichtbarkeit von Long COVID und ME/CFS in der Bevölkerung und damit auch das Verständnis für das Leid der Betroffenen.
(Beifall CDU und SPD)
Das Thema ist vielschichtig. Je nach Lebenssituation benötigen Betroffene ganz unterschiedliche Unterstützung, sei es im Beruf, in der Schule oder im häuslichen und familiären Umfeld. Daher sind auch die Antworten, die die
Landesregierung gibt, auf unterschiedlichen Schultern zu tragen.
Ein wichtiger Baustein ist die Post-COVID-Koordinierungsstelle am UKGM. Sie wurde letztes und auch in diesem Jahr vom HMFG mit jeweils 145.000 Euro gefördert.
Ziel ist nicht nur, die Versorgung zu verbessern, sondern auch, wissenschaftliche Analysen im Bereich der Versorgungsforschung voranzubringen. Damit schaffen wir die Grundlage, vorhandene Ressourcen gezielt und wirksa einzusetzen.
Im Antrag wird das AmRe-LoCO-Projekt begrüßt. Daher möchte ich hierauf konkret eingehen. Im Lahn-Dill-Kreis wird mit AmRe-LoCO ein neues Versorgungskonzept für Long COVID erprobt. Es verbindet verschiedene Elemente, Therapien vor Ort, digitale Angebote und eine enge wissen-schaftliche Begleitung.
Zu den Bausteinen gehören Physio- und Psychotherapie, Reha-, Sport- und Selbsthilfegruppen. Ergänzt wird dies durch digitale Module wie
Bewegungsübungen, Entspannungsstrategien, Kognitionstraining und Videosprechstunden. Alles läuft über eine Telemedizinplattform. Hierdurch wird für die Betroffenen eine flexible Nutzung ermöglicht, auch und gerade von zu Hause.
Begleitet werden die Patientinnen und Patienten von Lotsen, die sie beraten und durch das Programm führen. Hausärztinnen und Hausärzte erhalten Schulungen, damit sie Long COVID schneller erkennen und ihre Patienten gezielt unterstützen können.
Bis einschließlich 2025 wurde AmRe-LoCO vom HMFG mit insgesamt
1,2 Millionen Euro gefördert. Ich freue mich sehr, Ihnen heute mitteilen zu können, dass wir als HMFG das Projekt auch im Jahr 2026 mit fast 500.000 Euro zusätzlich fördern werden.
(Beifall CDU und SPD)
Ich freue mich auch, dass die Bundesebene aktiv ist. So hat der Gemeinsame Bundesausschuss eine neue Richtlinie beschlossen, um die Versorgung von Long-COVID- und ME/CFS-Betroffenen zu verbessern.
Klar bleibt aber auch: Wir brauchen wissenschaftliche Erkenntnisse. Erst wenn wir Long COVID und ME/CFS besser verstehen, können wir das Problem an der Wurzel packen.
Aktuell hat das Bundesgesundheitsministerium einen Förderschwerpunkt zum Thema „Erforschung und Stärkung einer bedarfsgerechten Versorgung rund um die Langzeitfolgen von COVID-19 (Long COVID)“ eingerichtet.
Ziel der Förderung ist es, neuartige und übertragbare Versorgungsansätze zu entwickeln sowie die bestehenden Angebote einzubinden und eine nachhaltige Verbesserung der Versorgung der Betroffenen zu erreichen.
Wichtig ist, in vielfältigen Bereichen, in der Versorgung, in der Forschung, in der Information, Schritt für Schritt an einer Verbesserung der Situation für die Betroffenen zu arbeiten.
(Beifall CDU und SPD)
Die entscheidende Botschaft von heute ist:
Wir lassen die Betroffenen nicht alleine. Wir arbeiten gemeinsam und entschlossen daran, Hilfe zu leisten. Wir sehen die Betroffenen, wir nehmen sie ernst. – Vielen Dank.
(Beifall CDU und SPD)
Volker Richter (AfD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie die letzten zwei Reden beachten, werden Sie gehört haben, dass es immer um ME/CFS und Long COVID ging.
Eben wurde hier über Ausgrenzung gesprochen. Die Ausgrenzung findet nicht durch uns statt, wenn wir sagen, dass ebenfalls erforscht werden muss, ob ME/CFS auch auf Impfnebenwirkungen zurückgehen kann. Das ist keine Ausgrenzung.
(Beifall AfD)
Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir eine Steigerung auf rund 400.000 Patienten mit ME/CFS seit 2020 haben.
Es ist doch im Sinne der Betroffenen und auch im Sinne von Ihnen, wenn Sie so handeln möchten, wie es eben ausgedrückt worden ist. Dem steht nichts entgegen. Wenn das in Ihrem Sinne ist, müssen Sie doch auch sagen: Wir möchten schauen, ob die Impfungen mit ursächlich sein können. – Wenn Sie zu einem normalen Arzt gehen und Impfnebenwirkungen haben, ist das nicht so einfach festzustellen, weil es fast genau das Gleiche ist wie Long COVID.
Das ist keine Ausgrenzung – ich möchte das noch einmal ganz deutlich sagen – und auch keine Konzentration auf Impfopfer, sondern es ist eine Darstellung dessen, dass Sie Menschen, die diese Schäden haben, nicht wahrnehmen möchten.
(Tobias Eckert (SPD): Einfach falsch! – Weiterer Widerspruch Stephan Grüger (SPD) und Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Das ist der ausschlaggebende Punkt, für den ich einstehe und wir hier einstehen. Wir sagen: Wenn wir dieser Krankheit ME/CFS, die für die Menschen wirklich schlimm ist, auf den Grund gehen möchten, dann müssen wir auch in diese Richtung forschen. Dann müssen wir auch über Haftung nachdenken. Das kann nicht anders sein.
(Beifall AfD)
Damit stehen am Ende des Tages auch mehr Mittel zur Verfügung. Man muss sich das anschauen: Bei allem, was Sie in Ihrem Antrag fordern, frage ich mich ernsthaft, wie Sie das finanzieren wollen – angesichts eines Gesundheitssystems, das so nicht mehr funktional ist, angesichts von
Abgaben, die schlicht und einfach fast nicht mehr bezahlt werden können, die ständig steigen, wo man schon darüber redet, dass Patienten mittlerweile wieder Praxisgebühren zahlen sollen.
(Zuruf Heiko Scholz (AfD))
Alles, was Sie möchten, ist gut. Es ist wirklich hilfreich, und man möchte es umsetzen. Aber wie soll das funktionieren angesichts der Politik, die Sie im gesamten Umfeld machen? Das funktioniert nicht, und es funktioniert noch
weniger, wenn Sie Menschen, die Schäden erleiden durch eine Impfung, die hier teilweise unter Druck als mehr oder weniger nebenwirkungsfrei beworben wurde, völlig ignorieren, alleine lassen und wenn Sie den Menschen in Marburg mehr oder weniger sagen, sie sollten sich lieber als
Long-COVID-Patienten deklarieren; denn dann bekommen sie schneller Hilfe, als wenn sie als Impfopfer gelten.
Es ist doch klar: Wenn ich jetzt zum Arzt gehe, weil ich entsprechende Schäden habe, dann werde ich nicht sagen, dass ich eventuell Impfschäden habe. Ich werde auf Long COVID gehen, weil ich da die bestmögliche Versorgung bekomme.
Die Ausgrenzung, die stattfindet, findet durch Sie statt,
nicht durch andere. – Vielen Dank.
(Beifall AfD – Widerspruch SPD)
Dr. Daniela Sommer (Waldeck-Frankenberg) (SPD):
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Richter, erstens haben wir alle Betroffenen im Fokus. Ich glaube, das haben wir auch in unseren Reden so deutlich gemacht.
(Beifall SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf Heiko Scholz (AfD))
Wenn Sie in den Antrag schauen, können Sie auch noch einmal nachlesen, dass es uns vor allen Dingen nicht nur um die Verbesserung der Versorgung geht, sondern um die Anerkennung. Das betrifft alle, egal ob da Long COVID,
Post-Vac oder ME/CFS steht. Das erst einmal dazu.
Solange Sie falsche Fakten nennen, sind Sie und ist das, was Sie sagen, nicht glaubwürdig.
(Heiko Scholz (AfD): Oh, Vorsicht!)
Vielleicht sollten Sie sich noch einmal in Marburg informieren. Die Warte-liste ist zwar noch viel zu lang, aber die 8.000 Personen, von denen Sie sprachen, entsprechen den Zahlen aus 2023, Herr Richter.
(Volker Richter (AfD): 2024, Anfang 2024!)
Vielleicht sollten Sie einfach die Fakten nennen und nicht immer Ihre Unwahrheiten hier am Pult wiedergeben, meine Damen und Herren.
(Beifall SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ihr Beitrag zur zweiten Runde hat noch einmal deutlich gemacht: Was wollen Sie denn eigentlich? Eben haben Sie gefragt, ob das alles machbar sei, ob alles zu finanzieren sei. – Entweder will man eine verbesserte Versorgung oder eben nicht. Wir stehen dazu. Wir wollen das umsetzen, damit dieses Leid endlich ein Ende hat, Herr Richter.
(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und Yanki Pürsün (Freie Demokraten) – Volker Richter (AfD): Warum ist das in der Bundesregierung nicht geschehen)
Wenn Sie immer sagen, wir hätten behauptet, Impfungen seien nebenwirkungsfrei, dann zeigen Sie uns doch bitte die Protokolle.
(Heiko Scholz (AfD): Das machen wir gerne! – Andreas Lichert (AfD): Wenn der Untersuchungsausschuss mal in Gang käme! – Weitere Zurufe –
Glockenzeichen)
Wir können Ihnen gerne Protokolle aus der letzten Legislaturperiode zeigen, die belegen, dass wir uns schon immer dafür eingesetzt haben, dass Betroffene bessere Unterstützung finden. Das ist die Wahrheit und nicht irgendetwas, was Sie hier behaupten.
Ich möchte noch einmal sagen: Long-COVID-, ME/CFS- und auch Post-Vac-Betroffene sollen besser unterstützt werden. Es geht um die Bedeutung, die Symptomatik und die Anerkennung dieser Erkrankungen, um die Verbesserung der Versorgung, um gesellschaftliche Aufklärung.
Es geht aber insbesondere auch um Forschung und darum, dass wir Versorgungspfade so auf- und umsetzen, dass sie den Betroffenen so gut wie möglich zugutekommen. Denn nicht jeder braucht eine Ambulanz, mancher braucht die Telemedizin oder eben den Avatar zu Hause, damit sie in der Schule weiter mitkommen. Das ist ganz individuell und spezifisch. Wir wollen das jetzt endlich angehen.
Zu BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte ich noch sagen:
Meine erste Initiative zu ME/CFS war 2017.
(Volker Richter (AfD): Das stimmt! – Zuruf SPD: Hört, hört!)
In der letzten Legislaturperiode haben wir viele Initiativen dazu gemacht. Der Gesundheitsminister war ein GRÜNER, und es ist nichts passiert.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Das stimmt doch auch nicht! Was soll denn das?)
Jetzt gehen wir das mit der Hessen-Koalition aus CDU und SPD endlich an. Herzlichen Dank, Frau Ministerin.
(Beifall SPD und CDU)
Präsidentin Astrid Wallmann:
Mir liegen nun keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit überweisen wir die beiden Anträge an den zuständigen Gesundheitsausschuss.
Quelle: Protokoll des Hessischen Landtages
Fazit
Alle Informationen sind nach bestem Wissen und Gewissen und meinen Erfahrungen zusammengestellt, die ich mit euch teile. Es gibt keinen Anspruch auf medizinische oder rechtliche Richtigkeit. Jede Haftung, Rechts- und Schadensersatzansprüche mir gegenüber sind ausgeschlossen.
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